Edition 5 Erstfeld

Erstfeld

Es war das Feld unterteilt in Matten mit mehrstöckigen Häusern entlang der einstigen Landwirtschaftsstrassen, waren eng gereiht die vormaligen Häuser der Eisenbahner, morgentlich im hochnebelverhangenen Licht: das hallende Rattern war von einem Güterzug, der rostbraun sichtbar wurde in Augenblicken und weiterzog talaufwärts, es taute mit Gezwitscher, war eine Wiese etwas sumpfig und erstreckte sich mit Mulden sanfthin: dort stand die Kapelle, wuchtig und schmal, war unter Bögen ein Vorplatz, luftstill, uns zu empfangen – vom Dorf her kein Ruf, alles lag verstreut, lag entlang, war Lärchenwaldstück, ein Lindenbaumplatz, trug Mauerflechten, endete in Gleisköpfen, sank ab zu einer Unterführung mit Rostfrass: der Morgennebel lichtete sich, keine Küchenstimmen, kein leises Klopfen, ich fragte nicht nach dem Weg, las die Plakate am Buchenstamm beim Bahnhof, las Zettel im Anschlagkasten: im Gasthaus war die Decke von Girlanden aus rosa und blauem und goldenem Aluminiumpapier behangen, die Wände waren mit Maschen geschmückt, die Lampen mit Lamellen, glitzerten glanzlos im Schein der vorfrühlingshaften Helligkeit – es war verloren die verkehrte in dieser Welt, die fasnächtliche, ausgenüchtert.

Michael Donhauser, Februar 2000