Edition 5 Erstfeld

Phallus

Rudolf Blättler

Phallus
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Bronze
21 x 21 x 19 cm
2007
Fr. 5200.-

Phallus

Rudolf Blättler

Bronze
21 x 21 x 19 cm
2007
Fr. 5200.-

Nicht erröten, bitte. Es ist erlaubt, genau hinzusehen. Es ist auch erlaubt, mit den Augen dem Spiel des Lichts zu folgen, das auf der dunklen Bronzeoberfläche schimmert und wechselt. Auch die Hände würden gerne den Wölbungen und Äderungen der Oberfläche nachspüren. Ja, und es ist durchaus auch gestattet, die Skulptur beim Namen zu nennen: Es ist ein Phallus, ein erigierter, einer, der dasteht – als ob es ein Torso wäre. Und schon hat sich unter der Hand die Bedeutung verändert. Brüste sind zu sehen, ein weiblicher Körper ohne Arme mit einer ausgeprägten Vagina. Mann wird Frau, Frau ist Mann. Oder ist es ein hoch aufragender Turm mit biomorphen Formen und einem höhlenartigen Eingang?

Die Bronzeskulptur des 1941 geborenen, in Luzern lebenden Künstlers Rudolf Blättler vereinigt, ja konzentriert – so klein sie ist – den Kern dessen, worum Blättlers Werk kreist: Es ist das unaufgeregte, aber intensive und stete Interesse an der Körperlichkeit, am Sexus, am Männlich-Weiblichen, am Androgynen – das ist die eine Seite, die zugleich das Geheimnisvolle, Unbenennbare birgt, so augenscheinlich der Gegenstand auch zu sein scheint. Auf der anderen Seite ist es eben dieses Geheimnisvolle, das in den Körper hineinzieht, das einen dunklen, imaginären Raum öffnet, in eine Höhle führt, in der man nach und nach etwas sehen würde, hätte man sich erst an die Dunkelheit gewöhnt. Eine Treppe wäre vielleicht zu erkennen, die man emporstiege, und weit oben träte man wieder ans Licht, sähe aus schwindelerregender Höhe weit umher.

Der Phallus ist Blättlers schwarzer Raum im Kleinformat. Er ist die umgestülpte Höhle. Er ist ein kleines utopisches Modell, wie der Künstler sie entworfen hat. Und er ist immer ganz Körper: ein Spiel mit Materie und Licht, ein Changieren der Geschlechtlichkeit.
Das Eindeutige will nicht zweideutig sein, sondern vieldeutig – einzig wer bloss das Eine sieht, wird in Gedanken vielleicht erröten oder nach einem schnellen Blick verschämt wegschauen.

Konrad Tobler