Edition 5 Erstfeld

ohne Titel

Peter Willen

ohne Titel
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Holz (MDF), Dispersion, Glas, Erdfundstück / Fotografie, Passpartout
10 x 10 x 6 cm / 18 x 28,5 cm
2004
Fr. 1600.-

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Peter Willen

Holz (MDF), Dispersion, Glas, Erdfundstück / Fotografie, Passpartout
10 x 10 x 6 cm / 18 x 28,5 cm
2004
Fr. 1600.-

Hinter einer Glasabdeckung präsentiert sich in einem kleinen weissen Kästchen ein larvenähnliches Gebilde, das mit seiner unregelmässigen Vasenform an ein archäologisches Fundstück en miniature erinnert. Wie ein wissenschaftliches Präparat wird es zur genaueren Betrachtung dargeboten, gibt jedoch keinerlei Aufschluss über seine Herkunft oder seine Funktion. Auf der zugehörigen Fotografie taucht es wieder auf, hier jedoch in anderem Massstab und vor einer irritierend künstlichen Komposition aus leuchtenden Farbflächen. Die blauen, grünen, roten und grau-weissen Felder suggerieren eine Architektur mit Fenstern hinter einer Rasenfläche, die einen kleinen Sockel mit der Miniaturamphore wie eine Skulptur zu tragen scheint. Und doch fügt sich diese Skulptur keineswegs in die vermeintliche Architektur ein, ihre amorphe Qualität hebt sich vielmehr deutlich vom glatten, unnatürlichen Glanz der Farbflächen ab und scheint diesen nur vorgeblendet.
Es handelt sich um das Gehäuse einer Grabwespe, in das diese ihre Eier und tote Insekten als Futter für die schlüpfenden Jungtiere ablegt - ein Fundstück, das durch seine gewachsene Struktur die Aufmerksamkeit des Künstlers auf sich gezogen hat. Die glänzenden Farbflächen hingegen sind aus der Manipulation einer digitalen Fotografie entstanden, deren Pixelstruktur am Computer derart verfremdet wurde, dass sie nun ganz neue Formen bildet. Das eingefügte Bild des Insektengehäuses in die Fotografie lässt somit eine gewachsene, natürliche und eine gerechnete, künstliche Struktur aufeinander treffen.
Während Willen sein künstlerisches Interesse für Farbe, Struktur und Materialität als Grundlagen eines Bildes bisher vor allem malerisch in der Schichtung von Temperafarben oder in den so genannten ‚Ausreibungen’ von reinen Pigmenten in Papier verfolgt hat, versucht er sich ihm nun mit Hilfe der digitalen Fotografie zu nähern. Die Überlagerung von Pixeln zu einer sichtbaren Struktur imitiert die Mischung und Schichtung natürlicher Pigmente. Doch die opaken Farbflächen lassen in ihrem Glanz im Gegensatz zu Willens matten monochromen Gemälden nur noch wenig Malerisches erkennen. Die graphische Wirkung der opaken Farbflächen hebt sich vielmehr deutlich gegen die natürliche Materialität des Insektengehäuses ab und wird durch diese noch in ihrer Künstlichkeit betont. An den Rändern sind einige der Flächen farblich abgestuft, so dass die Übergänge der einzelnen Farbfelder weniger hart erscheinen. Diese Schattierung erzeugt eine Illusion von Räumlichkeit, die dem skulpturalen Gehäuse einen architektonischen Ort zuzuweisen scheinen. Doch das ‚Nest’ der Grabwespe bleibt ein Fremdkörper, Natur und Künstlichkeit fügen sich nicht ineinander.
Es ist dieser Gegensatz zweier Strukturen, die Willen interessiert und die er zugleich auf ihren Zusammenhang befragt. Wie das mit natürlichen Materialien gebaute Gehäuse der Grabwespe auch an die Verpuppung und Verwandlung eines Insektes erinnert, so spielt auch der Künstler mit der Metamorphose, indem er ein bestehendes Bild technisch bis zur Unkenntlichkeit manipuliert und dabei ein neues Bild schafft. Natürlichkeit und Künstlichkeit werden einander gegenüber gestellt und überlassen es dem Auge von Betrachterinnen und Betrachter sie in ihrer Beschaffenheit zu unterscheiden. In seinem neuen Kontext wirkt nämlich auch das Abbild des kleinen Erdgehäuses nicht weniger künstlich als die manipulierten Pixel, die es umgeben.

Julia Gelshorn, 2005