ohne Titel
Aldo Walker
Aldo Walkers bestens bekannte Arbeiten der letzten Jahre zeigen Konturen und Figuren, die sich klar vom Hintergrund abheben. Beim ersten Augenschein sind vermeintlich Figuren identifizierbar. Die Signalhappen erweisen sich beim genaueren Hinsehen jedoch als zu vieldeutig, um einfach entschlüsselt zu werden. Ratlosigkeit ist mitunter vorprogrammiert, Ratlosigkeit weil nicht absehbar ist, was die Figuren mitteilen und wie diese gemeint sind.
Auch mit den zwei Objekten „ohne Titel“ der Edition 5 ging Aldo Walker diesen Weg.
Ein Abguss von zwei Gugelhopfformen - ineinander geschlungen - gibt dem Multiple die Gestalt. An der höchsten Stelle wurde ein Kerzenhalter montiert, in den eine Kerze hineingesteckt wird. Das Gussmaterial besteht aus blau gespritztem Polyurethan-Weichschaum. Das intensive Blau ist die Entsprechung zur blauen Farbe des Beitrages „Morphosyntaktisches Objekt“ von Aldo Walker in der Zeitschrift „DU“ vom Mai 1999. Während alle Abgüsse in derselben Farbe erfolgten, wurde für die Kerzen für jede der fünf Arbeiten eine andere Farbe gewählt. Das Objekt hat die Masse 32 x 34 x 27 cm.
Aldo Walker entwickelte eine Arbeit, die eine bekannte Erscheinungsform - den Gugelhopf - in eine andere, neue Wirklichkeit transferiert. Die veränderten Beziehungen und Bedingungen öffnen andere Bedeutungshorizonte. Das Objekt erhebt keinen Anspruch etwas anderes zu repräsentieren, abzubilden oder darzustellen, sondern will sich selbst bedeuten. Es sieht unwirklich aus, wenn zwei an sich unzweifelhafte Formen mit einem artfremden Material hergestellt und einer vom Ebenbild gänzlich abweichenden Farbigkeit versehen, ineinander verschlungen werden. Die Kerze, auf Gebäck ursprünglich dafür verwendet Feststimmung anzuzeigen, erhält auf diesem Objekt eine neue Aufgabe. Das Objekt erhält eine feierliche und zwielichtige Schönheit, eine Schönheit oder Präsenz, deren Bedeutung vom Betrachter neu ergründet werden will.
Das Objekt, im Januar 2000 entstanden, geht aus der ersten Multiple-Idee von Aldo Walker hervor. 1998 realisierte er das „Pfannenobjekt“, dem an zwei Pfannenböden im Verhältnis des goldenen Schnitts je ein Kreis ausgebohrt wurde. Ein Haushaltgegenstand ist auch in der vorliegenden Arbeit der Träger der Gedanken.
Mit beiden Arbeiten, die in der Edition 5 aufgelegt wurden, schliesst Aldo Walker an die Logotypen in seinem Werk an. In einem Gespräch mit Jean-Christophe Ammann erwähnte er: „Logotypen haben keine Bedeutung an sich; sie schaffen eine Bedeutung erst mit und durch den Betrachter. Diese Bedeutung ist so vielfältig wie die Rezeptionsmöglichkeiten oder die Lebensform des Betrachters. Aber ein Erkenntnisvorgang ist mit dem Gebrauch stets verbunden.“
Diese Gedanken haben ihre Gültigkeit beibehalten.
Jürg Nyffeler