Edition 5 Erstfeld

Die drei Marien

 

 

Ein Nachtspaziergang, die Sterne wiederzusehen.

 

Da hinten tritt die Nacht aus dem Schatten der Lampen. Ein Güterzug kommt aus Süden herab. Eckige Container, zylindrische Kesselwagen. Die Räder schlagen Funken, einige glühen. Und ein Güterzug macht sich in die Gegenrichtung, in den Süden auf. Jenseits der Reuss schlafen in ihren Lastwagen die Fernfahrer. Auf der Autobahn ein Hin und Her greller Lichter. Und wieder ein Güterzug, der aufwärts rollt, die Weltmeere, den Weltmarkt zum Ziel.

 

Darüber die Milchstrasse. Schmale Pfade führen hinauf zu ihrem Rand und in vergangene Zeiten zurück. Als es noch Nachtzüge gab, Fernexpresse, die ganz spät oder sehr früh in Erstfeld hielten und nächtliche Fluchten begünstigten. Als es noch den Nachtzug nach Italien gab, Abfahrt in Zürich Hauptbahnhof einige Minuten nach Mitternacht, Halt in Erstfeld gegen halb zwei. Oder nicht?

 

Wir bleiben stehen. Tief im Westen, links vom Postblock, dessen Lichter alle schon aus sind, über dem Firn, den der Halbmond anscheint, in der Scharte des Erstfeldertales: Orions Gürtel, den sie in Brasilien as três Marias nennen. Das Dreigestirn in waagrechter Linie zwischen den Wänden, und wir stehen noch eine Weile still und sehen.

 

Hie und da ein Nachtspaziergang, a riveder le stelle.

 

Andreas Grosz