Edition 5 Erstfeld

Blumenstück

Rémy Markowitsch

Blumenstück
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26.5 x 78 x 11 cm
2002
Vergriffen

Blumenstück

Rémy Markowitsch


26.5 x 78 x 11 cm
2002
Vergriffen

Die Fotografien von Rémy Markowitsch weisen - zumindest auf den ersten Blick - einen konkreten Bezug zum sichtbaren Naturbestand auf. Die Vorlagen seiner Blumenbilder „Nach der Natur“ entstammen Naturkunde- und vor allem Gartenhandbüchern für den Pflanzenliebhaber, in denen sich perfekte, auf hohem drucktechnischen Niveau reproduzierte Naturansichten finden.

Für eine Reihe seiner Pflanzenbilder hat der Künstler den Titel „Blumenstück“ aus der kunstgeschichtlichen Terminologie entlehnt. Der Begriff bezeichnet niederländische Gemälde des 16. und 17. Jahrhunderts, entstanden parallel zum Aufschwung der Gartenkultur, die fast ausschließlich Blumen wiedergeben. Die Blumenstillleben werden als Allegorien von Vergänglichkeit verstanden, Herkunft und Blütezeit der abgebildeten Blumen sind für die jeweilige Aussage von großer Bedeutung.

Der Prototyp, „Blumenstück I“ (1994), besteht aus sieben hochformatigen, hinter Acrylglas aufgezogenen zwei Meter hohen Fotografien, auf denen prächtige Blüten, Blumenarrangements extremer Farbig- und Üppigkeit zu sehen sind. Die Künstlichkeit ihrer Fülle erweist sich bei näherem Blick als Resultat der Überlagerung zweier Fotografien mittels Durchleuchtung. In die unbestreitbare Suggestionskraft dieser Bilder mischt sich ein beängstigendes Moment, das von dem bewußten Verzicht auf letzte optische Klarheit, die Aufklärung über das, was dargestellt ist, ausgeht. Die Grenze zwischen faktischer und bildlicher Realität wird verwischt. Dabei mutet es wie ein ironischer Kommentar an, daß Markowitsch in seinen Reproduktionen oft eine Urpflanze mit einer Züchtung „kreuzt“, die als Topf- und domestizierte Zimmerpflanzen Teil einer Gartenkultur fürs Fensterbrett sind. Aus der Technik der Durchleuchtung resultieren auch die hellen Streifen, die sich quer durch die nebeneinander gereihten Bilder ziehen. Diese hellen Teile ergeben sich aus dem Buchlayout, durch die von Bildkanten begrenzten unbedruckten Stellen auf je einer Seite. Die Ausschnitte der durchleuchteten Fotografien sind jedoch vom Künstler so gewählt, daß die Querstreifen als beabsichtigte Kompositionselemente erscheinen, als ein individuelles Gestaltungsmittel, obwohl (auch) sie vorgegeben und vom Künstler nur gefunden sind. Die Durchleuchtungen erheben und visualisieren gewissermaßen die Verfügbarkeit von Natur zum künstlerischen Prinzip. Rémy Markowitschs Fotoarbeiten sind Ausdruck einer Gesellschaft, die Natur als Freizeitwert, oder als fröhlichbunte Zimmerdekoration betrachtet. In seinen Bildern erscheint Natur als schöner, wenn auch ironisch gebrochener Schein.
Die Gesellschaft selbst hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß Markowitsch mimesis ad absurdam führen kann: „Seine mechanistische Kopie einer mechanistisch gedruckten Kopie einer mechanistisch fotografierten Kopie irgendwelcher Realität nimmt selbst monströse Bildrealität an, sieht schließlich fast aus wie ein digital erzeugtes Pflanzen-Arrangement, wie ein gerade erzeugtes, etwas befremdliches Original, eine 'Natura naturans', eine etwas verquer sich selbsthervorbringende Natur.“ (Urs Stahel „Nach der Natur“; in: Nach der Natur, Katalog, Galerie Urs Meile, Luzern)

Mit dem Multiple hat der Künstler eine Miniatur Variante des „Blumenstück“ für das postmoderne, intelligente Lifestyle-Environment geschaffen: zwischen schönem Schein und Oberflächengestaltung. Der Leuchtkasten als pflegeleichtes, unverwüstliches, immerblühendes Lichtobjekt ist das ideale Pendant oder in gewisser Weise das Remake des Blumenkastens für die Fensterbank.

Antje Weitzel